Himmlischer Beruf mit irdischen Tücken
Die Bewerberzahlen für eine Pilotenausbildung sind konstant hoch, trotz unsicherer Aussichten und hoher Kosten.
Reinhard Mey sang sie vor vielen Jahren, die sehnsuchtsvolle Hymne aller Himmelsstürmer: "Über den Wolken - muss die Freiheit wohl grenzenlos sein." Für die Piloten von Verkehrsflugzeugen ist der Himmel ihr Arbeitsplatz und in Zeiten der Billigflieger ist der Job sicher nicht einfacher geworden. Doch trotz zunehmender Konkurrenz, wachsendem Zeitdruck und immer strafferen Arbeitsabläufen - die Faszination von einst ist auch heute noch geblieben. Dem Traum vom Fliegen hat das alles offenbar nichts anhaben können. Pilot ist für viele nach wie vor ein Traumberuf.
Die Nachfrage nach der Ausbildung zum Cockpit-Chef ist ungebrochen. Bei der Lufthansa bewerben sich jedes Jahr etwa 3000 bis 4000 junge Leute. Den schwierigen Auswahltest bestehen nur etwa fünf bis sechs von hundert Bewerbern. Rund 240 Flugschüler haben im August in der Lufthansa-Flugschule in Bremen ihre Ausbildung begonnen. Das sind 60 mehr Fluganfänger als in den Vorjahren, denn der deutsche Branchenprimus brauche wegen Flottenerweiterung und des wieder anziehenden Geschäfts in den nächsten Jahren zusätzliche Piloten, berichtete ein Sprecher.
Wer bei der Lufthansa einen Platz bekommt, kann sich glücklich schätzen. Denn zum einen muss er "nur" einen von Lufthansa vorfinanzierten und erst nach Einstellung rückzahlbaren Eigenanteil von rund 40 000 Euro tragen. Das entspricht nach Angaben eines Lufthansa-Sprechers etwa einem Drittel der Gesamtkosten der Ausbildung bei Lufthansa. Zum andern - und das ist für viele Berufsanfänger noch wichtiger - winkt anschließend auch tatsächlich ein Arbeitsplatz.
Auch der Reisekonzern TUI bildet neuerdings Piloten für den Bedarf der konzerneigenen Fluglinien Hapagfly und Hapag-Lloyd Express (HLX) aus. Der erste Lehrgang mit drei Frauen und fünf Männern läuft bereits seit Mitte April in einer Flugschule in Paderborn. Bei den TUI-Fliegern gehen jede Woche etwa 20 bis 25 Bewerbungen ein.
Der Arbeitsmarkt für Piloten habe sich inzwischen zwar etwas entspannt, sagen die Experten. Lange Zeit aber war es äußerst schwierig, einen Job zu bekommen. Dazu beigetragen haben neben Airline-Pleiten und Konjunkturschwankungen auch äußere Faktoren, die die Reiselust von Touristen und das Verhalten von Geschäftsleuten beeinflussen. Terroranschläge gehören dazu, Epidemien oder auch Angst um den Arbeitsplatz. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren damit auch für Flieger ein "einschneidendes Erlebnis", sagt Hapagfly- und HLX-Pilot Jörn Mahringer (39). "Das ganze ist ein bisschen entzaubert worden."
Das gilt vor allem für die vielen Piloten, die nach den schwierigen Jahren immer noch arbeitslos sind. Oft haben sie noch Schulden von der teuren Ausbildung und müssen zudem um ihre Lizenz fürchten, wenn sie regelmäßige Flugstunden nicht nachweisen können. Eine Stunde im Simulator kostet nach Worten Mahringers 3000 Euro. Das ist zu teuer für die meisten. Und so versuchten sie, sich die Stunden irgendwie zusammenzufliegen. Manche müssten sogar dafür bezahlen, dass sie fliegen dürften. Ein Sprecher der Vereinigung Cockpit (VC) prangert das als "Erpressung" an.
Die Billigflieger hätten dagegen den Markt nicht so dramatisch verändert, heißt es bei der VC, der Interessenvertretung der Piloten. Allerdings sei der Kosten- und Zeitdruck immer größer geworden. Eine Billigfluglinie stelle genau so viel Personal ein, wie sie benötige, um das Flugzeug möglichst viele Stunden am Tag in der Luft zu halten. Da habe die Besatzung oft "hammerharte Arbeitszeiten", sagt ein VC- Sprecher. Die Leute arbeiteten manchmal an der Obergrenze dessen, was der Gesetzgeber in Deutschland zulasse - bis zu 14 Stunden am Tag und bis zu 60 Stunden in sechs Tagen.
Mahringer sagt, bei HLX würden die 14 Stunden nur selten angekratzt. Zwar seien die Zeiten am Boden bei den Billigfliegern deutlich kürzer als früher. Nach 25 Minuten am Ankunftsort geht es meist sofort wieder zurück. Aber für die Arbeit im Cockpit reiche die Zeit gut aus. Man müsse schon konzentriert sein, sagt der HLX-Pilot, aber anstrengender als früher sei das nicht unbedingt. Denn die Arbeit am Boden sei durch den verringerten Service auch weniger geworden. Vier Flüge absolvieren die Crews in jeder Schicht. Dann haben sie Feierabend - meist nach mehr oder weniger zehn Stunden.
Der Job habe viele Vorteile, sagt Mahringer, aber auch Nachteile - unregelmäßige Arbeitszeiten etwa, auch am Wochenende, da sei wenig Platz im Leben für Familie oder Freunde. Es klingt ein bisschen wie aus dem Leben eines Fern- oder Busfahrers - Airbusfahrer eben. Aber auf die Frage nach der Faszination der Fliegerei sagt der Pilot aus vollem Herzen: "Ja, die gibt es noch!" Und dann erzählt er noch, wie er vor ein paar Tagen früh morgens losgeflogen ist, in eine drei Kilometer dicke dichte Wolkendecke, und wie er die Wolken dann hinter sich gelassen hat und als blutroter Ball die Sonne aufging. Er schwärmt: "Daran kann ich mich niemals satt sehen."
Quelle: Welt