Die Zahl der Flüge weltweit steigt rapide. Das stellt die Fluggesellschaften vor große Herausforderungen bei Emissionen und Treibstoffversorgung. Erste Airlines investieren nun in alternative Biotreibstoffe.
New York. Der Wohlstand in China, Indien und Indonesien wächst. Immer mehr Geschäftsleute reisen dort mit dem Flugzeug. Und immer mehr Menschen aus diesen Ländern wollen auch in den Urlaub fliegen. Für die Airlines bahnen sich riesige finanzielle Möglichkeiten an. Der Dachverband der Fluggesellschaften Iata schätzt, dass sich die Zahl der Flüge in den kommenden zwei Jahrzehnten auf 7,3 Milliarden pro Jahr erhöhen wird. Die Frage ist nur: Mit was sollen die Maschinen künftig fliegen.
„Es geht darum, dass wir als Industrie unsere Lizenz zum Wachsen behalten“, sagt Julie Felgar, Generaldirektorin für Umweltstrategie beim US-Flugzeugbauer Boeing. Sie koordiniert die Forschungsprogramme des Unternehmens für nachhaltige Biotreibstoffe in den USA, Australien, China, Brasilien, Japan und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Autos, Lastwagen und Züge können mit Strom, Erdgas und eines Tages wahrscheinlich auch mit Wasserstoff angetrieben werden, um die Emissionen zu senken. Aber ein paar Hundert Menschen, mit ihrem Gepäck und zusätzlicher Fracht in mehr als zehn Kilometer Höhe zu bekommen und über einen Kontinent zu transportieren, benötigt so viel Energie, dass das nur mit flüssigen Treibstoffen möglich ist.
Der relativ einfach aus Mais herzustellende Biokraftstoff, der rund zehn Prozent des US-Autobenzins stellt, ist nicht umweltfreundlich genug, um den Airlines zu helfen, die Emissionsvorgaben einzuhalten. „Anders als der Transportsektor auf der Erde haben sie nicht viele Alternativen“, sagt Debbie Hammel, Expertin für Bioenergie-Politik von der Umweltschutzorganisation Natural Resources Defense Council.
Es bleiben somit nur sogenannte moderne Biokraftstoffe, die aus landwirtschaftlichen Abfällen, Müll oder besonderen Getreidearten gemacht werden, die nicht für Menschen essbar sind.
Airlines stehen unter Druck
United Airlines gab im vergangenen Monat den Erwerb von Anteilen im Wert von 30 Millionen Dollar (27 Millionen Euro) an Fulcrum Bioenergy bekannt. Es ist das bislang größte Investment einer US-Fluggesellschaft in alternative Treibstoffe. Fulcrum will Anlagen bauen, mit denen aus Haushaltsabfällen Diesel und Flugbenzin hergestellt werden kann.
Das Transportunternehmen Fed-Ex, das jedes Jahr mehr als vier Milliarden Liter Treibstoff verbrennt, versprach am Dienstag, man werde künftig zwölf Millionen Liter aus Holzabfällen gewonnenem Treibstoff vom Unternehmen Red Rock Biofuels kaufen. Auch Southwest Airlines will sich bei Red Rock eindecken.
Bislang sind diese Bemühungen jedoch winzig, wenn man sich den enormen Treibstoffverbrauch der US-Airlines ansieht. Etwa 170 Millionen Liter verbrennen deren Flieger jeden Tag. Doch die Airlines stehen unter Druck. Derzeit laufen sie Gefahr, ihre eigenen, eher niedrig gesteckten Emissionsziele zu verfehlen
Und für die Zukunft soll es deutlich strengere Vorgaben von der US-Umweltbehörde EPA und internationalen Institutionen geben. Derzeit soll der Anstieg der Emissionen nach Plänen der Iata bis 2020 gestoppt sein – auch wenn die Zahl der Flüge weiter zunimmt. Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen auf der Hälfte des Standes von 2005 sein.
Die Airlines werden einer der größten Biokraftstoff-Nutzer der USA sein, zusammen mit dem Militär. Das hat sich bereits vor einiger Zeit alternativen Kraftstoffen zugewandt. Zum einen hatte das strategische Gründe, denn man wollte nicht vom Öl abhängig sein.
Aber auch die Kosten haben eine große Rolle gespielt. Biokraftstoffe im großen Umfang herzustellen ist derzeit noch schwierig - und Dutzende Firmen sind bei dem Versuch bereits auf der Strecke geblieben. Der Aufbau einer verlässlichen und günstigen Versorgungskette für welche Art von Treibstoff auch immer kann Jahre dauern.
„Eine ganz neue Treibstoffindustrie schaffen“
Der Aufbau der Produktionsstätten ist teuer, denn angesichts der unsicheren Erfolgsaussichten erwarten die Kapitalgeber hohe Renditen. Auch der Preiseinbruch des Rohöls hat den Wettbewerb mit traditionellen Treibstoffen schwieriger gemacht.
Die Airlines bekommen diese Schwierigkeiten am eigenen Leib zu spüren. Ein Programm der Gesellschaft United, bei dem Flüge zwischen Los Angeles und San Francisco mit Biokraftstoffen angetrieben werden sollten, verzögerte sich, weil der Treibstoffproduzent Alt-Air Probleme bei der Umrüstung seiner bestehenden Raffinerie hatte.
Auch die Lieferungen von Red Rock an Southwest verzögern sich. Statt wie geplant 2016 soll es 2017 losgehen – auch wenn der Bau der Fabrik noch gar nicht begonnen hat. In der Luftfahrtbranche gibt man sich gelassen. „Wir versuchen, eine ganz neue Treibstoffindustrie zu schaffen“, sagt Felgar.
„Wir wussten immer, dass das eine langfristige Angelegenheit ist. Unsere Industrie ist ja auch langfristig ausgelegt“, fügt die Boeing-Managerin an. „Ich bin nicht optimistisch. Ich bin nicht pessimistisch. Ich bin entschlossen.“
Einen Pluspunkt gibt es bei der Umrüstung auf jeden Fall. Anders als auf dem Boden, wo Hunderttausende Tankstellen umgerüstet und beliefert werden müssten, würde es bei den Flugzeugen reichen, die wichtigsten Flughäfen auszustatten. Bei United etwa läuft mehr als die Hälfte des Flugverkehrs über die fünf Drehkreuze Houston, Chicago, Newark, San Francisco und Denver.
Quelle: wiwo.de