Wirtschaftskrise und Billigkonkurrenz setzen der französischen Airline zu
Hohe Verluste und steigende Schulden gefährden die Existenz der prestigereichen Airline. Fehler von Air France nützte die Billigkonkurrenz wie Eayjet und Ryan Air zu ihren Gunsten aus. Sie verschärfen die Probleme der Airline.
Der Begriff «direkte Verbindung» hatte in Frankreich bisher immer einen ironischen Beigeschmack. Bewohner von Bordeaux an der Atlantikküste zum Beispiel konnten das im Südosten liegende Lyon – ob per Bahn oder Flug – nur via Umsteigen in Paris erreichen.
Das war normal. Es brauchte eine Engländerin, um den Franzosen in den peripheren Regionen die Freuden echter Direktverbindungen zu bringen. Easyjet-Chefin Carolyn McCall überzieht seit Sommer 2011 das Land mit Querverbindungen und lässt Paris dafür häufig aus – ein Affront für den Nabel der Welt, der bei den Nicht-Parisern offenbar gut ankommt.
Auch der grösste Billigflieger Europas, Ryan Air, hat sich in Frankreich festgesetzt und bietet mehrheitlich Routen aus der Provinz ins Ausland an. Jahrzehnte nachdem die Billig-Airlines im übrigen Europa die Platzhirsche das Fürchten gelehrt haben, bekommt jetzt auch Air France / KLM den Biss dieser Konkurrenten zu spüren.
Billiger, aber nicht billig genug
Unter dem Druck haben sich die Franzosen zur Gegenoffensive entschlossen und bieten ab 2012 ebenfalls deutlich mehr innerfranzösische Verbindungen an, zu guten Preisen: Ein Trip Anfang März von Bordeaux nach Lyon und zurück soll bei Air France mit allen Zuschlägen 138 € kosten. Das ist enorm günstig für die Airline. Das Problem: Easyjet bietet an den gleichen Tagen (Wochenende von Freitag zu Montag) den gleichen Trip für fast 50% weniger an: 73 € kostet das Retourbillet mit allem Drum und Dran.
Der Angriff von Easyjet kommt für die inzwischen nur noch drittgrösste Airline-Gruppe Europas (nach Passagieren) zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Das französisch-niederländische Gemeinschaftsunternehmen, dessen Umsatz im laufenden Jahr 24 Mrd. € erreichen wird, hat weder die mentale Einstellung noch die Struktur, um sich mit den Billig-Airlines auf einen Wettbewerb einzulassen.
Der frisch gekürte Konzernchef Alexandre de Juniac ist ein typisches Gewächs der französischen Elite. Karriere machte er in wechselnden Positionen bei staatlich kontrollierten Konzernen und dem Wirtschaftsministerium. Er bereitete diese Woche seinen Hauptaktionär, den französischen Staat, der 15,7% der Aktien hält, auf ein erneut miserables Jahresergebnis vor.
Einer Kommission des französischen Parlaments erklärte Juniac, er rechne mit einem «mehrere hundert Millionen Euro» schweren Verlust. Verantwortlich dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise in Europa. Happige Treibstoffkosten und die Konkurrenz der Billig-Airlines tragen das ihre dazu bei. Am schwersten aber wiegt die Kostenstruktur. Schon seit Jahren sorgt sie dafür, dass der Schuldenberg kontinuierlich wächst. Im letzten Jahr erhöhte sich laut Konzernchef Juniac die Nettoverschuldung um 2 Mrd. € auf bedrohliche 6,5 Mrd. €.
Für die Mitarbeiter der Gruppe steht jetzt ein Sparprogramm an, die Führung will vor allem im hochdefizitären Europaverkehr – hier versenkte Air France 2011 nach eigenen Angaben 700 Mio. € – die Produktivität erhöhen und Kosten reduzieren. Die Mitarbeiter der stolzen Airline, deren Uniformen stets von französischen Stardesignern entworfen wurden, gehören gemäss der Finanzanalystin Penelope Butcher von der Investmentbank Morgan Stanley zu den «teuersten der Branche».
Im Vergleich zur ähnlich ausgerichteten Lufthansa zahlt Air France / KLM den Angestellten im Durchschnitt um 26% höhere Löhne und Pensionen, gut 71 000 € im Jahr. Gleichzeitig ist aber die Produktivität der Franzosen um rund 10% tiefer. Und damit sind sie Lichtjahre von der nochmals weit höheren Produktivität entfernt, die Lowcost-Gesellschaften wie Ryan Air und Easyjet aufweisen.
Rezession verschärft Problem
Die Führung von Air France / KLM will nun in einem dreijährigen Sparprogramm die Gruppe um 2 Mrd. € trimmen. So sollen wenigstens die Kapitalkosten verdient und die Verschuldung um ein Drittel gedrückt werden bis Ende 2014. Die angekündigten Massnahmen muten allerdings etwas zaghaft an. Neben einem Einstellungsstopp sollen die Löhne in den nächsten zwei Jahren nicht erhöht werden. Weiterreichende Schritte will Air France noch mit den Gewerkschaften verhandeln. Daneben spart der Konzern bei Investitionen und Ausbau der Flotte.
Ob das reicht, um die sich abzeichnende Verschlechterung der Konjunktur aufzufangen? Für 2012 erwarten die Airline-Chefs laut einer Umfrage der Branchenorganisation Iata eine klare Eintrübung, vor allem europäischen Gesellschaften drohen Einbussen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die profitable Lufthansa am 6. Februar wohl auch ein weiteres Sparpaket in Milliardenhöhe ankündigen wird. Für Air France wird die Luft in den nächsten Jahren jedenfalls sehr dünn.
Quelle: NZZ-online