Hier das erste
"Review Light" - in Form eines sich weiterentwickelnden Threads statt einem statischen PDF in der Filebase.
Das Problem
Nun, ich besaß einst einen ganz normalen Schreibtisch. 2m breit, 80cm tief, 4 Beine - eins in jeder Ecke. Aber irgendwie wollte sich damit nicht so recht bequem spielen oder simmen lassen. Ich hab verschiedene Sessel, Mauspads, Sitzpositionen, Sitzhöhen etc ausprobiert. Richtige Freude wollte nie aufkommen. Keyboard am Tisch, daneben ein Stick und dann auch noch eine Maus verwenden wollen, das geht so einfach nicht. Man drückt sich mit dem auf Rollen stehenden Bürostuhl von den Pedalen weg, hat zu wenig Platz auf der Arbeitsfläche und sonstige kleine Unannehmlichkeiten.
Schreibtische sind einfach nicht für Computer geschaffen, sondern die Rechner wurden erst lange nach den Schreibtischen erfunden und man hat die beiden kombiniert. Dieses Gespann ist in praktisch jedem Büro oder Heim heute anzutreffen. Aber ist das noch zeitgemäss? Man darf sich darüber uneins sein. Spezielle Computertische gibt es zwar, aber die haben ihre Grenzen.
Ich wollte ordentlich sitzen, Eingabegeräte sinnvoll angeordnet haben und mir nicht mit der ganzen Hardware selbst im Weg sein. Dazu soll das ganze auch noch wertig verarbeitet sein und für mehr als nur Simulationen herhalten.
Die Lösung?
Aufgrund exzessiver Recherche stach mir das oZone Cockpit des Herstellers Obutto ins Auge. Alles aus Stahl, pulverbeschichtet, modularer Aufbau, Halterungssystem für bis zu 3 Monitore, optionale Stick-Aufhängungen, für Pedale konzipiert, schwenkbare Ablage für Keyboard und Maus, Sitz inkludiert, verstellbare Lehne und auch nach vorne und hinten. Ich traute meinen Augen nicht. Eine Weile hab ich natürlich überlegt, ob eine solch radikale Lösung sinnvoll ist, aber letztendlich hab ich den Sprung gewagt und zugeschlagen. Einige Tage später, ich bin zum Glück daheim, läutet das Telefon. Dran ist ein ziemlich verzweifelt klingender Paketzusteller, der keine Ahnung hat, wie er das etwa 50kg schwere, extrem unhandliche Monster aus seinem Lieferwagen vor meine Türe kriegen soll. Ich durfte also zum Tragen mit antreten. Gesagt, getan.
Da stand sie nun, eine gewaltige Box. Das links daneben zum Grössenvergleich ist ein Cooler Master HAF 932, eines der geräumigsten und grössten Rechnergehäuse die es derzeit am Markt gibt. Die Schachtel misst 102x61x57cm, hat also alles in allem 1/3 Kubikmeter Volumen. Also mal etwas verschnauft, anschliessend geöffnet und den Inhalt begutachtet. Man darf sich schon mal drauf gefasst machen, daß das Auspacken nicht in wenigen Minuten erledigt ist. Jedes einzelne Teil ist bestens verpackt, und an Teilen soll es nicht mangeln.
Der Sitz macht schon mal einen sehr wertigen Eindruck. Ist von der Materialanmutung und Verarbeitung durchaus mit einem ordentlichen Autositz vergleichbar, und die sind bekanntlich nicht billig.
Darunter findet man eine Menge Metallteile, jedes einzelne davon in scheinbar unendlich lange Bänder von Folie gewickelt. Falls man also zu den Leuten gehört, die gern ihre Mitmenschen mit dem zerdrücken der Luftblasen in solchen Verpackungsfolien nerven, mit dem Ding bekommt man Munition für die Ewigkeit für dieses Hobby.
Nach einer guten Stunde ist man die irre Menge Plastik los und hat die leere Schachtel fast komplett mit den Verpackungsresten gefüllt. Mülltrennung ist natürlich hier ein Muss. Man hat noch einiges vor sich, aber freut sich schon umso mehr, immerhin hat man eine Menge pulverbeschichteten Carbonstahl zusammenzubauen. Damit der Parkettboden (und bei Montage eines sogenannten Buttkickers später mal die Nachbarn) nicht leidet, gleich von Amazon eine Yoga-Gummimatte bestellt und zweckentfremdet. Die Matte darf als Unterlage bzw Kratzschutz für den Holzboden herhalten.
Die ersten Schritte sind getan, es beginnt sich abzuzeichnen was da letztendlich draus wird. Das erste Probesitzen lässt die Vorfreude ganz enorm steigen. Sehr bequem, unheimlich ergonomisch und auch qualitativ sehr feines Ding. Also weiterbasteln. Die Keyboardhalterung wird montiert, beinahe jede Schraubverbindung an dem ganzen Gestell geschieht mit Imbus und Muttern, in wenigen Ausnahmefällen durch Kreuzschlitzschrauben.
Die kleine Tischplatte lässt sich vertikal und horizontal verstellen. Die Rohre sind etwa in einem Winkel von 60° geneigt. Wenn man die Platte also nach unten verstellt, rückt sie auch automatisch etwas weiter vom Benutzer weg. An dieses Ding kann man entweder ein Lenkrad oder ein Yoke direkt befestigen, oder man montiert so wie ich die optional erhältliche Acryl-Tischplatte drauf.
Die Montage des Monitors geht recht unproblematisch vonstatten - man montiert einfach die Halteplatte auf dem Monitor (der über VESA-Montagelöcher verfügen muss) und schiebt die Platte anschliessend einfach von oben auf die beiden vertikalen Standbeine. Die metallene kleine Tischplatte hat keine Löcher, somit muss man entweder selbst welche Bohren (was bei Carbonstahl nicht unbedingt schonend für den Bohrer ist) oder man verwendet etwas klebriges. Ich hab mich für die Klebe-Variante entschieden, immerhin wollte ich auch die schöne Acrylplatte mit ihrer glänzenden Oberfläche nicht verschandeln. Somit in einem halbwegs sinnvollen Muster einige Tesa Powerstrips aufgeklebt. Tischplatte möglichst symmetrisch aufgelegt und gut soll es sein. Hält bombenfest. Wichtig ist nur, daß man darauf achtet, daß man die kleine darunterliegende Tischplatte vor der Befestigung in der niedrigsten Position hat, sonst kann es sein, daß man die Acrylplatte so draufklebt, daß man sich einen Teil des Verstellbereiches nimmt. Das wollte ich natürlich nicht.
Der testweise Aufbau ist mal geglückt, man dreht die ersten Runden im Sim und freut sich über sein neues Spielzeug. Zum Ausprobieren hab ich dann auch noch die beiden äußeren Monitorhalterungen angebracht, um ein Gefühl für die Größe des künftigen Projekts zu bekommen. Ein paar Tage später kam dann auch mal der Postmann vorbei und murmelte was von wegen "Spinner", als er mir 3 Schachteln überreicht hat. Mit einem urwienerischen "Und für wos braucht ma des?" nahm er meine Unterschrift entgegen und ward nicht mehr gesehen. Ich denke der schliesst mich wohl auch nicht ins Abendgebet ein. Das Cockpit ist mittlerweile geradegerückt, die 3 Displays werden montiert und eingerichtet (eine ziemlich üble Drecksarbeit, bis das mal genau passt) und dann gehts ans Eingemachte.
Die Pedale sind auf einer in der Neigung verstellbaren Platte untergebracht. Die Platte ist mit einer mit Rillen versehenen Gummioberfläche überzogen, damit die Pedalerie nicht herumrutschen kann. Die G940 Pedale verfügen über Teppichkrallen, die sich perfekt in diesen Rillen verhaken. Somit bleibt das Pedal da wo es ist, selbst wenn ich mit viel Kraft reinsteigen sollte. Ein kleiner Kritikpunkt ist die Breite des Rahmens, der die Pedalablage umgibt. Das Pit wurde ursprünglich für Rennspiele konzipiert, der Pedalraum ist also etwas schmal. Kein Problem bei den Pedalen von G940 und auch denen von CH Products. Bei den klassischen Saitek Pro Flight Pedalen wird es schon ziemlich eng, hier kann man die gummibeschichtete Platte weglassen und die Pedalerie direkt auf den Boden stellen. Ganz düster sieht es bei Simpeds und den Saitek Combat Pedals aus. Die sind einfach zu breit. Es gibt Erfahrungsberichte von Combat Pedal Benutzern, die leider nicht den vollen Ausschlag ihrer Pedale nutzen können, weil der Rahmen die Bewegungsfreiheit des Pedals einschränkt. Man sollte dieses Manko auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.
Das Werk ist vollendet - vorerst.
Die Aufhängung der Monitore ist ungemein solide. Die Montagerahmen sind mehrere Kilo schwer, man zweifelt nicht einen Sekundenbruchteil an ihrer Tragfähigkeit. Die Fertigungstoleranzen sind allerdings bei meinem Exemplar etwas hoch geraten, von daher passten ein paar Laschen nicht exakt. Für das Justieren und Festziehen der einzelnen Schrauben empfiehlt sich definitiv die helfende Hand einer zweiten Person. Man ist nämlich bereits mit Imbusschlüssel und Gabelschlüssel zum Gegenhalten bestens ausgelastet. Wenn das mal alles festgezurrt ist, dann wackelt da auch nix mehr. Laut Herstellerangabe kann man Bildschirme bis 24 Zoll verwenden, die hier verwendeten 27 Zöller machen aber auch keine Probleme. Die maximal verwendbare Bildschirmgrösse hängt aber auch davon ab, wie dick der Schirm an sich ist und wie breit der Rahmen um das Panel herum ist.
Die Praxis
3x FullHD Auflösung ist was vollkommen unvorstellbares bis man es einmal in Aktion erlebt hat. Konventionelle Spiele (die entsprechende Auflösungen unterstützen) werden ein Erlebnis daß einem Aufgrund der schieren größe der Bildfläche mehr oder weniger in die Netzhaut geprügelt wird. Mit TrackIR kann es anfangs durchaus vorkommen, daß einem so richtig übel wird. Die ersten Runden mit der DCS A10 waren auf jeden Fall von leichter Übelkeit geprägt. Es dauert eine Weile, bis man sich daran gewöhnt. Aber man will es auf keinen Fall mehr missen - nicht mal in dem Moment wo der Magen zu streiken droht.
Der Sitz ist so ziemlich das bequemste worin ich jemals gesessen bin. Man sitzt ziemlich niedrig über dem Boden, nimmt dabei aber eine Position ein, die eher ans Rennfahren oder Kampfjet fliegen erinnert als ans vorm Rechner hocken. Die Ergonomie bei klassischen Keyboard/Mausanwendungen ist überragend. Hinsetzen, einfach Hände fallen lassen und sie kommen ganz von selbst direkt auf Keyboard und Maus zu liegen. Am Keyboard bei richtiger Aufstellung selbigens natürlich direkt auf den Tasten W,A,S und D.
Die gesamte Ablage ist zur Seite schwenkbar, beidseitig montierbar, in Höhe und Abstand vom Sitz verstellbar und obendrein noch komplett mit Mauspad-Oberfläche überzogen. Ergo fällt auch das Mauspad flach. Meine mit Teflon-Pads gepimpte Maus flutscht da drüber daß es nur so eine Freude ist.
Die hochglänzende Acryl-Tischplatte wirkt sehr edel. Allerdings lädt sie sich leicht statisch auf, wodurch sie leider zu einem Staubmagneten wird. Man muss sie also doch recht oft abwischen, damit der Look nicht verloren geht. Acryl ist übrigens auch sehr weich. Heiße Getränketassen drauf abstellen nimmt einem das Material übel. Zwar schmilzt sich die heiße Kaffeetasse zwar nicht durch die Platte durch, aber man merkt die dadurch entstehenden Unebenheiten schon wenn man genauer hinsieht oder mit der Hand drüberstreicht. Somit keine Heißgetränke draufstellen. Ich hab zu Beginn den Fehler gemacht und musste draufhin die Platte umdrehen, damit die nun hässliche Seite unten ist. Im Kopf unter "bezahltes Lehrgeld" abgelegt und gut ists.
Wenns ans flusieren geht, wird der Stick in Center Anordnung montiert. Dazu einfach ins Gestell einhängen, eine Rändelschraube festziehen und fertig. Ergonomischer als das wirds nicht. Kabel anstecken und los gehts. Throttle ist links auf einem Schwenkarm montiert. Den dreht man einfach nach vorne, nachdem man die Tischplatte abgesenkt hat (ebenfalls mit Rändelschrauben fixiert) und man sitzt in einem Cockpit. Auf der Tischplatte hat man somit allerhand Platz für Peripherie, immerhin steht der Stick ja nicht drauf. Die Tastatur klappt man währenddessen zur Seite. Es sind selbstverständlich auch Sidestick-Konfigurationen möglich.
Fazit
Alles in allem die besten 600 Euro die ich jemals für Hardware ausgegeben habe. Ja, das ist viel Geld. Aber wenn man bedenkt, wieviel ein normaler Schreibtisch, eine Halterung für 3 Monitore und ein Autositz kosten, ist das im Vergleich ein Geschenk. Natürlich ist das Ding für den Flusi nicht perfekt, da es primär für Rennspiele konzipiert wurde. Aber es ist weit ergonomischer und bequemer als alles worin ich bisher gesessen bin (abgesehen von einem Level-D Simulator, aber auf dem kann ich keine Shooter spielen).
The Good:
- extrem solide Verarbeitung
- fantastisches Preis/Leistungsverhältnis
- sehr flexibel, für Arbeit, Spiele und Flusis geeignet
- eine Wohltat für gequälte Wirbelsäulen
The Bad:
- Rahmen zu schmal für manche Pedale
- Leichte Ungenauigkeiten bei der Passform der 3-Fach Monitorhalterungen - die Bohrungen hingegen sind perfekt
- Montage der Acrylplatte auf Metall dem User überlassen
The Ugly:
- Acrylplatte verträgt keine heißen Kaffeetassen - Raucher könnten hier auch schnell Schaden an der Tischplatte verursachen
Weiterführende Links:
www.obutto.eu