FSX "Twinkie" : Die Reise beginnt
Da war ich also. Das Päckchen für Arez in der Hand betrat ich seine Werkstatt. Ich hätte ja das Bild vorhersagen können das sich mir bot : Motorabdeckung aufgeklappt, vorne übergebeugt in einer fleckige Latzhose, qualmende Zigarette im Mundwinkel, zusammengekniffene Augen, vor sich hinbrummend...das war er.
"Ja sowas, der Alpenösi" Arez richtete sich auf, wischte seine Hände in den öligen und schmutzigen Lappen den er immer an seiner Latzhose hängen hatte und kam auf mich zu. Ich drückte ihm das Päckchen in die Hand, seine heißgeliebte Sachertorte aus Wien. "Hier, laß es Dir schmecken, Nordmann." Wir lachten, unsere typische kurze aber herzlichen Begrüßung. Wir nahmen wir im Cafe Platz, bestellten 2 Jever und musterten einander.
"Na, schon gespannt auf Deine RG ?"
"Klar, was glaubst Du denn. Können wir gleich damit starten ?"
"Wenn Du möchtest..Du könntest mich auf die Insel begleiten. Ich soll dort an einer Islander herumschrauben, ein wenig...verstärken. " Er zwinkerte mir zu. Das war seine Welt, Flieger aufmotzen und tunen. Kein Wunder bei seiner Familie und seiner Geschichte. Aber ich kam gar nicht dazu meine Gedanken weiterzuspinnen, den Arez schnappte unsere zwei Jeverflaschen, warf ein paar Münzen auf den Tisch und stand auf. Ich kam gar nicht dazu irgendetwas zu sagen, so folgte ich ihm also in den Hangar, wie ein kleines Hündchen das seinem Leckerli hinterher hechelte. Ich kam auch gar nicht dazu meine neue Cessna genau zu betrachten, denn Arez saß schon rechts vorne und bereitete den Flieger vor.
"Worauf wartest Du noch ? Los, setz Dich hin und ab geht´s"
Beim Reinklettern bemerkte ich dass er seinen abgewetzten Seesack auf der Rückbank liegen hatte. Den hatte er von seinem Großvater, der im ersten und zweiten Weltkrieg Kampfflieger bei den Alliierten war. Ein wilder Hund soll er gewesen sein, sein Opa. Arez hatte also schon alles vorbereitet und nur mehr auf mein Eintreffen gewartet.
"Wie lange bleibst Du denn auf der Insel ?" fragte ich ihn.
"2 Tage. Und Du ?"
"Eigentlich wollte ich rasch wieder weiter. Möchte die Cessna direkt runter fliegen, das dauert ja seine Zeit. Habe ein Zimmer in Borkum reserviert...."
"Soso, hast es so eilig. Aber ich lass Dich erst weiterfliegen nachdem wir im Dünen Restaurant ordentlich geklönt haben"
Klönen ? So kannte ich ihn ja kaum. Arez ist ja eher einer der verschlossenen Sorte. Plaudern und erzählen wie es geht ? Ja das war kein Problem. Aber wenn er schon klönen wollte musste etwas passiert sein.
Es war ja nur ein Katzensprung auf die Insel, wir waren nur wenige Minuten unterwegs da tauchte sie vor uns schon auf. Eine kleine Runde gedreht und dann runter auf die Düne.
"Du kommst schon wieder zu tief und zu früh rein" brummelte Arez. Er musste nicht mal von seinem Zettel aufblicken auf dem er fast den ganzen Flug nebenbei herumgekritzelt hatte.
"Verdammt, das werde ich nie in den Griff kriegen. Hast Du einen Höhenmesser eingebaut dass Du das spürst ?"
"Ich kenne Dich, und höre einfach dass Du zu tief bist"
Na dann...
Nach der holprigen Landung meldete sich Arez beim Flugfeldverantwortlichen, bestand aber darauf noch zwei Stunden mit mir zu verbringen. So machten wir es uns im Dünen Restaurant gemütlich.
Ich musterte ihn und versuchte einzuschätzen was er mir nun sagen werde. Er zündete sich die nächste Zigarette an und blickte sich um. Er war ja nicht der Mann großer Worte also versuchte ich die Situation mit belanglosem Blabla aufzulockern. Funktionierte auch irgendwie, denn nachdem wir Familie, Job, Weltpolitik und Wirtschaftskrise in knapp 5 Minuten durch hatten kam er zur Sache.
"Ich muss mein Baby verkaufen"
Das war es also. Arez sprach von seiner C182P, die sein Vater 1993 gekauft und die er dann übernommen hatte.
"Was ist passiert, erzähl mal"
Er erzählte mir eine dieser typischen Fliegergeschichten. Viel Herzblut, wenig Zeit. Die Geschäfte liefen zwar recht gut, aber für den Erhalt seiner C182P reichte es auf Dauer doch nicht. Dafür konnte sein Ein-Mann-Betrieb einfach nicht genügend Aufträge erledigen. Hier in der deutschen Bucht kannten ihn viele und legten Wert auf seine Modifikationen und Verbesserungen, aber auch hier war natürlich Wirtschaftskrise zu spüren. Hier konnte er nicht mehr viel machen. So erzählte er mir.
"Ich verkaufe mein Baby, die Werkstatt, pack meine Sachen und geh nach Asien" Aha, war da also doch mehr.

" ! ! ! "
"Ja, da schaust Du, was ?" Arez lachte, leerte seine Kaffeetasse und bestellte noch einen. "Hier hält mich nicht viel. Das Geschäft plätschert so dahin, das Fliegen wird immer teurer und bürokratischer, das Trainingszentrum wurde geschlossen weil es keine Teilnehmer mehr gibt...und die Zigaretten werden auch nicht billiger und besser."
Auf meinem Flug nach Borkum rief ich mir das Gespräch mit Arez noch mal in Erinnerung.
Obwohl Arez so viel rauchte war er ein begeisterter Kampfsportler. Durchtrainiert, voll auf der Höhe, sehr bestimmt. Passte ja auch irgendwie zu seiner sturen Art

Jedenfalls erklärte er mir dass es nun Zeit für einen Neubeginn sei. Er hätte alles bereits vorbereitet, in 10 Tagen geht es los. Arez hat einen Job bei einem überregionalen Flugbetrieb bekommen die sowohl Touristenflüge als auch Material- und Vermessungsflüge in ganz Südostasien durchführten. Nichts Großes, keine Jets sondern nur Propellermaschinen. Außerdem gäbe es in der Nähe eine sehr angesehene Kampfsportschule. Ich war überzeugt dass er dort auch das eine oder andere mal Hand an defekte oder unzureichend eingestellte Flieger legen würde.
Ich musste schmunzeln. Irgendwie passte das zu ihm, jetzt hier alles dicht zu machen und in der Fremde etwas Neues aufzubauen. Er war ja einer dieser absoluten Fliegereifreaks, schon seit er 11 Jahre alt war. Knapp nach der Wende machte sein Vater, ein Arzt, den Flugschein. Anfangs hatte Arez absolut kein Interesse an der Fliegerei bis ihn sein Vater eines Tages in einer C150 mitnahm. Da packte ihn die Liebe zur Fliegerei und es war um ihn geschehen. Er nervte alle mit seinen Fragen über Motoren und Flugzeuge, lernte viel, häufige Flüge mit dem Vater, und bevor er den Autoführerschein hatte war er ein recht tauglicher GA-Pilot.
Dann kaufte sein Vater die C182P. Dieses Flugzeug war seine große Liebe, hat er immer gesagt. Nachdem er den Flieger übernommen hatte motzte er ihn natürlich auf : Motor, Propeller, neue Lacke. Über all die Jahre war das sein Gefährt und die halbe deutsche Bucht kannte seine Cessna

War sicher nicht leicht sich von all diesen Erinnerungen zu trennen, aber ich konnte ihn verstehen. Das Umfeld war in Thailand sicher besser als hier, und ...verdammt, wozu gibt es denn Flugzeuge ? Spricht ja nix dagegen einfach ein Ticket zu kaufen und in ein paar Monaten zu schauen wie es ihm in Thailand geht.
Ich ermahnte mich nicht all zu sehr meinen Gedanken nach zu hängen. Immerhin hatte ich soeben meine neue Cessna abgeholt und wollte sie noch ein paar Jahre fliegen. Arez hatte mir beim Abschied ein Kuvert in die Hand gedrückt, das sei die Rechnung für meinen Friendly Flusi Cessna. Blöd, ich hatte noch gar nicht nachgesehen um wieviel er mich erleichtern wolle. Wir hatten uns zwar einen Preis ausgemacht, aber oft steht dann ja ein wenig mehr auf der Rechnung, wenn noch dies dazu kommt oder noch das unbedingt gemacht werden musste...
Ich drehte meine Schleife über Borkum. Die tiefstehende Sonne zauberte ein ganz besonderes Licht über die Nordsee und die Inseln, irgendwie passend zu Abschied und Neubeginn.
Als würde ich es Arez nun beweisen wollen...ich kam viel zu hoch und zu schnell rein

Nix mit zu früh und zu tief. Also noch einmal rundherum
Diesmal lief die Landung glatt ab. Es war zwar schon dunkel am Flugfeld Borkum, aber ich hatte mein Eintreffen avisiert und unmittelbar nachdem ich geparkt und den Motor abgedreht hatte gingen die Lichter aus.
Das Kuvert. Ich öffnete es...
Keine Rechnung, dafür ein Flugticket nach Thailand, ein Jahr gültig. Ein Post-it darauf, Arez hatte draufgekritzelt : "Mach´s gut"