Gepäck wird auf Reisen zum Luxus
Die hohen Kerosinpreise zwingen die Airlines zum Sparen: Sie kämpfen um jedes Kilo – und legen die Kosten nun auf die Kunden um. Lufthansa verlangt ab sofort mehr für schweres Gepäck. Immerhin dürfte eine EU-Verordnung bald für mehr Preistransparenz sorgen.
Fluggesellschaften lassen sich einiges einfallen, um gestiegenen Treibstoffkosten entgegenzuwirken: Manche fliegen langsamer, andere installieren leichtere Sitze an Bord, einige drosseln sogar den Wasserverbrauch in den Toiletten. Doch das alles reicht nicht. Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften geht davon aus, dass keine deutsche Airline es sich leisten kann, die Preise aufgrund der gestiegenen Treibstoffpreise nicht zu erhöhen. Die Investmentbank Morgan Stanley erwartet sogar, dass die meisten europäischen Fluglinien ihre Preise um 30 bis 40 Prozent anheben müssen, selbst wenn der Rohölpreis nicht weiter steigen sollte, da derzeit noch die Vorrausbuchungen der vergangenen Monate abgeflogen werden.
Immer mehr Airlines haben das Gepäck der Passagiere als zusätzliche Einnahmequelle entdeckt, um ihre Kunden so an den höheren Kerosinpreisen zu beteiligen. Jüngstes Beispiel ist die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa. Ab heute zahlen Fluggäste für Übergepäck kräftig drauf. Auf Strecken innerhalb Deutschlands werden bei Überschreiten der 20-Kilogramm-Freigrenze in der Economy Class mindestens 30 Euro für das Übergepäck fällig. Bisher kamen Kunden bei einer leichten Überschreitung mit fünf Euro weg. In den 30 Euro Zuschlag sind dann sechs Kilogramm Übergepäck enthalten. Die Regelung, wonach fünf Euro pro Kilogramm zu zahlen sind, bleibt erhalten. Auf Verbindungen in Europa liegt dieser Satz bei zehn Euro, auf Fernflügen etwa nach Japan beträgt der Zuschlag 30 Euro pro Kilo. "Wir wollen einen Teil der höheren Kosten an Kunden mit viel Gepäck weitergeben", sagte Lufthansa-Sprecher Jan Bärwalde. "Die Freigepäckgrenzen greifen wir hingegen nicht an", betonte Bärwalde.
Andere deutsche Airlines wie Germanwings verlangen hingegen schon ab dem ersten Gepäckstück Gebühren (siehe Tabelle). Dass weitere heimische Fluggesellschaften jetzt nachziehen, müssen Verbraucher jedoch zunächst nicht fürchten. "Derzeit ist bei Germanwings keine Erhöhung der Gepäckgebühren geplant", sagte Sprecherin Angelika Schwaff WELT ONLINE. Auch Sprecher von Air Berlin und TUIfly versicherten auf Nachfrage, dass momentan keine höheren Gepäckgebühren geplant seien.
"Fliegen ist nicht mehr so günstig, wie es mal war. Aber Verbraucher haben immer noch die Chance, Schnäppchen zu machen", meint Reiseexperte Falk Murko von der Stiftung Warentest. Zudem seien die Extragebühren für Übergepäck leicht zu umgehen. "Wer die Freigrenzen einhält oder nur mit Handgepäck fliegt, zahlt nach wie vor nichts extra", sagt Murko. Dass die Airlines Kunden mit viel Gepäck an den höheren Kosten beteiligen, hält Murko für durchaus berechtigt.
Ärgerlich finden Verbraucherschützer jedoch die geringe Transparenz bei den tatsächlichen Gesamtkosten für Flüge. Viele Fluggesellschaften werben nach wie vor mit unrealistischen Dumpingpreisen - mit jedem Buchungsschritt werden dann jedoch weitere Zusatzkosten sichtbar. Viele kostenpflichtige Extras wie ein Wunschsitzplatz, bevorzugtes Einsteigen oder Reiseversicherungen sind vorab eingestellt und der Kunde muss sie bewusst wegklicken. "Die Gesellschaften versuchen zu verschleiern, dass die Kosten hochgehen", sagt Murko. Der Reise-Experte ist jedoch zuversichtlich, dass die neue EU-Verordnung zu Flugpreisen schnell in Kraft tritt: "Dann ist damit endlich Schluss".
Das EU-Parlament hat im Juli dieses Jahres eine Verordnung abgesegnet, nach der von Beginn an der volle Preis eines Flugtickets ersichtlich sein muss. Die Fluggesellschaften dürfen nicht mehr mit Sonderangeboten werben, ohne dabei direkt über anfallende Steuern, Buchungs- oder Kreditkartengebühren zu informieren. Verboten ist den Anbietern auch, von vornherein Kosten für Versicherungen oder Platzreservierungen in die Buchung einzubeziehen. Die Verordnung, die einen besseren Preisvergleich ermöglichen soll, tritt umgehend in Kraft, sobald sie im Amtsblatt veröffentlicht ist. Damit rechnen Verbraucherschützer jeden Moment. Europa-Parlament und EU-Kommission beklagen seit langem, dass Fluggäste oft in die Irre geführt werden.
Der neuen Verordnung zufolge müssen "fakultative Zusatzkosten" wie die Koffer-Gebühren schon zu Beginn des Buchungsvorgangs angekündigt werden. Das Europa-Gesetz verbietet den Anbietern auch, in den Online-Buchungsformularen vorab Häkchen neben optionale Leistungen zu setzen. Die Fluggäste müssen Zusatzleistungen aktiv bestellen, statt sie abzuwählen.
Die frisch eingeführten und voreingestellten Sitzplatzreservierungen bei TUIfly können dann beispielsweise nicht mehr in ihrer heutigen Form bestehen bleiben. Im 2. Schritt des Buchungsverfahrens im Internet unter dem Titel "Zusatzleistungen" hat TUIfly das Häkchen bei "Ja, ich möchte eine Sitzplatzreservierung vornehmen" gemacht. Wer nicht aufpasst und stattdessen "Nein" anklickt, zahlt neun bis 25 Euro extra.
Quelle: Welt-online