Flieger-Gewichte auf der Waage
FRANKFURT/M. - Auch Flugzeuge können unter „Übergewicht“ leiden. Damit sie abgespeckt werden können, hilft bei Regional- wie Langstreckenfliegern die Waage.
Wo unsereins zu Hause im Bad nur ein paar Sekunden benötigt, dauert der Wiege-Vorgang beim Jumbo-Jet schon einmal zehn Stunden.
Nur ganz langsam zieht ein Schlepper das Flugzeug auf die Messplatten genau unter den Rädern.
Bis zu achtzehn Stück sind es je nach Flugzeugtyp. Messen ist Präzisionsarbeit.
Die Platten geben das Gewicht, das auf ihnen lastet, an einen Computer weiter. Dieser rechnet die Werte zusammen.
Erst dann weiß ein Wägungs-Ingenieur, wo und wieviel an einem Flugzeug abgespeckt werden muss.
Alle vier Jahre, so schreibt es die Europäische Flugsicherungsbehörde (EASA) vor,
sollte sich ein Flugzeug solch einer Mess-Prozedur unterziehen.
Es ist auch mit außerplanmäßigen Wägungen, etwa wenn ein Flugzeug durch Umbauten an Gewicht zulegt.
Quer durch Deutschland reisen die Messplatten, bis sie Ihr Wiege-Objekt erreichen.
Insgesamt gibt es nur 28 davon bei Lufthansa Technik; ständig einsatzbereit sind 24 von ihnen.
Dann beginnt das große Ausräumen der Jets.
Dies geschieht nach behördlich strengen Regeln: Der Tank muss leer sein, Catering und Zeitschriften verschwinden von Bord.
Feuerlöscher und Schwimmwesten hingegen bleiben im Flugzeug.
Rund sieben Stunden Vorbereitungszeit kommen so schon vor einer Wägung zusammen.
All der Aufwand hat gute, sicherheitsbedingte Gründe: Das Betriebsleergewicht (Dry Operating Weight) ist notwendig,
um die vordere und hintere Schwerpunktlage eines Flugzeugs, den „Dry Operating Index“, zu berechnen.
Beide Werte sind grundlegend, wenn es darum geht, Starts und Landungen zu planen. So hilft das Betriebsleergewicht,
Fracht- und Treibstoffmengen präzise und sicher zu kalkulieren.
Der Dry Operating Index verrät wiederum, wie die Ladung im Frachtraum verteilt werden muss.
Wenn dies nicht der Fall wäre, würde die Flugfähigkeit negativ beieinträchtigt.
Jedes Wäge-Protokoll ist also für die Lebenslauf-Akte eines Flugzeugs unentbehrlich.
Doch wo kommen die Gewichtsprobleme beim Flugzeug her? Schmutz und Feuchtigkeit können sich im und am Flugzeug festsetzen.
Das kann bis zu 300 Kilogramm Unterschied ausmachen. So genannte Weight and Balance Ingenieure gehen dem ungeliebten Flugzeugspeck an den Kragen.
Dafür durchlaufen sie eine einjährige Sonderausbildung, die sie alle zwei Jahre wiederholen müssen.
Die Spezialisten können auf ihre technisch hoch entwickelten und robusten Waagen bauen.
Die Messplatten sind nur rund fünf Zentimeter hoch und lassen sich im Baukastensystem aneinander koppeln.
In jedem der vier Füße einer Messplatte sind vier Hydraulikmessdosen integriert. Diese übertragen den Druck auf eine Membran.
Dann wird er in ein elektrisches Signal gewandelt, das an einen externen Rechner fließt. Zugleich zeigt die Waage das Gewicht,
das auf ihr lastet, direkt über eine eingebaute Anzeige.
Rund 30 Tonnen, also 30 000 Kilogramm, können die Meßlatten aushalten. Dabei müssen sie aber gewöhnlich,
etwa bei einer Boeing 747, nur zehn Tonnen pro Platte tragen.
Die Messplatten arbeiten bis zu 20 Jahre lang: Ihre Ergebnisse sind bis auf fünf Kilogramm genau.
Und das, obwohl es nicht gerade Fliegengewichte sind, die sie immer wieder präzise wiegen müssen.