HAMBURG (dpa) - «Wer flog als Erster über den Atlantik?» Neun von zehn Menschen in Deutschland, in Frankreich und erst recht in Nordamerika werden antworten: «Charles Lindbergh. Wer sonst?». 33 Stunden und 32 Minuten nach dem Start in New York erreichte der Amerikaner nach 5750 Kilometern mit seiner einmotorigen «Spirit of St. Louis» am 21. Mai 1927 Paris: Damit hatte er als Erster allein und nonstop den Atlantik überquert.
Sein endlos langer und einsamer Flug über den Ozean katapultierte den jungen Postflieger aus St. Louis in Missouri vor 80 Jahren auf einen Schlag in die Weltöffentlichkeit. Vor seinem Abenteuer verspottet, war Lindbergh nun der strahlende Held.
Der 1902 geborene Lindbergh saß in einer 8,43 Meter langen Maschine mit einem 237 PS starken Wright-Whirlwind-Neun-Zylinder-Sternmotor. Über seinen Jahrhundertflug sagte der Luftfahrtpionier: «Manchmal flog ich zehn Fuß über dem Meer, manchmal war ich 10 000 Fuß hoch. Doch ich habe während meines ganzen Flugs kein einziges Schiff getroffen. Nur nachts habe ich hin und wieder die Lichter von Schiffen gesehen. Ich habe keine Minute lang geschlafen und auch kein Koffein oder ein anderes Aufputschmittel genommen, die ich mitgenommen hatte.» Als er sich am 20. Mai in New York startklar machte, fragten ihn Reporter nach seinem Maskottchen, seiner Katze. Lindbergh antwortete: «Meine Katze bleibt zu Hause. Ich will nicht, dass sie ersäuft.»
Der Amerikaner war nicht der erste Atlantikflieger: Schon 1919 hatten von Neufundland aus zwölf Besatzungen versucht, das Meer zwischen Amerika und Europa zu überfliegen. Eine Crew stürzte gleich nach dem Start ab, drei andere mussten notwassern. John Alcock und Arthur Brown flogen mit einem umgebauten Bombenflugzeug Vickers «Vimy» am 14. und 15. Mai 1919 von Neufundland nach Irland. 16 Stunden und 27 Minuten dauerte diese erste Nonstop-Atlantik-Überquerung über 3032 Kilometer. Doch davon spricht heute kaum noch jemand: Lindberghs Ruhm überstrahlte alle und alles - bis heute.
Der Mann, der sich öffentlich als unbekümmerter großer Junge und als Haudegen präsentierte, war ein erstklassiger Flieger, exzellenter Techniker und alles andere als ein Hasardeur. Dass er den Flug überstand, verdankte er - neben der Qualität des Motors - einer beispiellosen Physis und seiner mentalen Stärke. Keinen Augenblick zweifelte Lindbergh an sich, Stunde um Stunde rechnete er und befahl sich: Durchhalten. Das war Lindberghs eigentliche Leistung. Er musste mit zahllosen Widrigkeiten fertig werden: Flügel und Motor versperrten ihm die Sicht nach vorn - ein Periskop ermöglichte ihm die Sicht bei Start und Landung. Radio und Funk gab es nicht an Bord.