6.) Kompatibilität
Kompatibilität ist natürlich ein riesiges Thema für ein solches Gerät. Entweder ein Spiel bietet die komplette Implementation von sich aus an oder man muss sich mit Bastellösungen helfen. Es gibt auch die Varianten daß das Headtracking nicht unterstützt wird, aber die Darstellung für die Rift sehr wohl.
Nativer Support (War Thunder, X-Plane via Plugin, Unity und Unreal Engines, evtl später Prepar3D)
Dies ist die wünschenswerteste Version von unterstützung, Optik und Tracking funktionieren ab Werk, man muss es nur in den Optionen aktivieren oder die Anwendung erkennt die Brille von selbst und schaltet in den VR Modus. In manchen Fällen sind auch Commandline Parameter erforderlich um die Anwendung zur Zusammenarbeit mit dem Gerät zu überreden. Aber es handelt sich hier wie gesagt um Entwicklerhardware, es muss noch nicht alles mundgerecht für Endverbraucher vorbereitet sein - das wird auch wohl nie ganz funktionieren, da man im Idealfall so ein System sehr genau an den User anpassen will und dazu brauchts halt ein wenig Feintuning. Nativen Support bieten Momentan die Unreal Engines 3 und 4, die Unity Engine, Valve's Source Engine Spiele (Half-Life 2, Portal, Team Fortress 2 usw) und demnächst Hawken. Auch die aktuelle Betaversion von Outerra kann bereits mit nativem Rift Support glänzen, auch wenn die Stereoskopie noch ein wenig Feintuning braucht.
In Sachen Flugsimulation gibt es momentan noch wenig nativ supporteten Content, grade mal die Free2Play WW2 Flugsimulation
War Thunder von Gaijin Entertainment unterstützt das Headset bereits. Bei X-Plane bastelt ein User momentan an einem
Plugin, eine erste Beta gibt es bereits, die ist aber nur für 64-Bit Macs verwendbar, eine Windows Version soll in Kürze folgen.
Wrapper Treiber
Wenn nativer Support nicht gegeben ist, dann kann man sich mit einem sogenannten Wrapper behelfen. Dieser hakt sich in die DirectX Bibliotheken ein und macht somit ein paar zusätzliche Dinge hinter dem Rücken des Spiels. Die Schwierigkeit dabei ist, daß gewisse Dinge halt sehr genau konfiguriert werden müssen, es kann also mühsam sein wenn der Autor keine fertige Config mitliefert. Konfigurationsparameter sind zB. so Dinge wie "auf welcher räumlichen Tiefenebene zeige ich meinen Mauszeiger an". Das ist noch etwas hakelig. Im Bereich der Wrapper Treiber gibt es momentan 3 Varianten. Die erste Möglichkeit findet man mit dem
Vireio Perception Treiber. Dieser funktioniert mit einer handvoll Spielen, darunter Borderlands, Dishonored, Mirror's Edge, Skyrim und Dirt2. Da viele Spiele aber von der Engine her keine Unterstützung für die unabhängige Bewegung der Blickrichtung von der Körperrichtung hat, bindet man sozusagen die Maus an den Headtracker. Man läuft immer in die Richtung in die man Blickt, auch wenn der Kopf 90° zur Seite schaut. Das ist halt der Nachteil bei solchen Lösungen.
Der zweite Wrapper, der meines Erachtens deutlich interessanter ist, nennt sich
VorpX. Dieser Treiber tut im wesentlichen das gleiche wie Vireio, nur bietet er mehr Möglichkeiten und ist deutlich benutzerfreundlicher - wird allerdings auch Payware im Bereich von rund 35 EU sein. Eine öffentliche Beta gibt es noch nicht, nur erste Vorabreviews auf RoadToVR. Der deutsche Entwickler, Ralf Ostertag, ist auch ein sehr freundlicher Zeitgenosse und antwortet stets auf Fragen die man ihm in seinem Forum stellt. Der Clou an VorpX ist daß es nicht nur die normale geometrische Stereoskopie beherrscht, sondern auch den Tiefeneffekt über den Z-Buffer errechnen kann. Wie das genau funktioniert, darüber hält sich der Entwickler relativ bedeckt, aber der Vorteil dieser Methode ist, daß man vielleicht 10% mehr Performance vom Rechner braucht anstatt die beinahe doppelte - wird bei der klassischen geometrischen Stereoskopie doch jedes Bild doppelt berechnet, einmal für jedes Auge! VorpX unterstützt so wie Vireo natürlich auch den Headtracker, sogar die Treibereinstellungen kann man mittels transparentem Overlay direkt im Spiel verändern, das Menü steuert man über Kopfbewegungen, somit besteht nicht der Zwang die Brille runterzunehmen und nach irgendwelchen Tasten am Keyboard zu suchen.
Trackinglösungen
TrackIR ist ja der Platzhirsch am Markt der Motion Tracker, dieses Quasi-Monopol versuchen sie auch mit drakonischen Klauseln in ihrem Nutzungsvertrag beizubehalten. Ein Spielehersteller darf zb wenn er TrackIR Support nativ in sein Spiel integriert, keine Tracking Lösung eines anderen Herstellers in sein Spiel einbauen. Noch dazu wird die ganze API verschlüsselt damit kein böser Open Source Mensch evtl deren Schnittstellen verwenden kann. Hilft aber alles nix, es gibt im Netz eine Beta von FaceTrackNoIR die den Rift Tracker auslesen kann und diese Daten an jedes Spiel liefern kann, das TrackIR Support hat. Über die rechtlichen Implikationen dieser Tatsache will ich hier nicht weiter sprechen, es sei nur erwähnt daß es technisch kein Problem ist. Wenn man aber ein Spiel hat daß den Rift Tracker nicht unterstützt kann man nur die Optik verwenden und weiterhin sein TrackIR nutzen. Problematisch kann es beim TrackClip Pro sein, da der seitlich am Kopf sitzt. Wenn man ihn also links am Headset montiert hat und man nach links schaut, dann kann die Brille den Clip verdecken und das Tracking setzt aus. Noch dazu will man mit der Oculus das TrackIR nur im 1:1 Modus betreiben, das ansonsten nützliche Verstärken von Bewegungen sollte man hier tunlichst deaktivieren wenn einem sein Mageninhalt lieb ist.
7.) Verwendung für die Flugsimulation
Ja jetzt komm doch mal zum Punkt, Martin!
Ist ja gut, gehen wir das eigentliche Kernthema an, die Flugsimulation. Nun, fürs Fliegen ist dieses Gerät die Zukunft, aber noch nicht jetzt. Vermutlich die Consumer Version. Warum noch nicht jetzt? Simpel. Es fehlen noch Kernfeatures. OculusVR weiß das und sie arbeiten hart daran. Diese Features wären ein verringerter Screendoor Effekt, damit die Welt nicht mehr so aussieht als würde man sie durch ein Fliegengitter betrachten. Die Auflösung muss deutlich höher werden - in der aktuellen Version kann man Instrumente einfach nicht lesen. Glass Cockpits sind einfach unbenutzbar, bei klassisch Instrumentierten Fliegern erkennt man die Zeiger so ungefähr, wenn man also die Bereiche der jeweiligen Anzeige kennt kann man damit arbeiten und schauen ob alles im grünen Bereich ist. Cessna fliegen ist also möglich - und es ist vom Raumgefühl her schon sehr krass und nahe an der Realität. Näher an die Instrumente rangehen um sie besser lesen zu können ist momentan nur mit TrackIR möglich, da die Rift ja noch kein laterales Tracking beherrscht.
Im Überblick werden wir uns mal ansehen welche Simulation wie funktioniert bzw funktionieren wird.
FS9 & FSX/P3D
Diese beiden Klassiker haben natürlich keinen nativen Support, Microsoft supportet die beiden ja nicht mehr offiziell, es findet keine Weiterentwicklung mehr statt. FSX kann man mit einer Kombination von Vireio und FaceTrackNoIR ziemlich gut zum funktionieren bringen, die Lösung erfordert aber einiges an Konfigurationsaufwand. Prepar3D User können sich freuen, die Jungs bei Lockheed Martin besitzen ein Oculus Entwicklerkit und werden wohl aller Wahrscheinlichkeit nach nativen Support nachreichen - ob vor oder nach dem Release der fertigen Consumer Version ist allerdings noch unklar.
X-Plane
Hier gibt es ein Plugin in der Beta Phase, zu nativem Support ab Werk gibt es aber noch keine Stellungnahme.
DCS
Auch Eagle Dynamics haben hier noch nicht wirklich Stellung bezogen. Matt Wagner hat zwar gemeint daß es recht interessant ist, aber will sehen wie sich das entwickelt. Es gibt im Eagle Forum bereits einen
elendslangen Thread zu dem Thema. Es ist nun nach Anzahl der Posts in den Top 5 des Input/Output Unterforums, ich kann mir also nicht vorstellen daß sie es dauerhaft ignorieren. Sollten sie diesen Fehler doch begehen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß der Z-Buffer Modus von VorpX mit DCS funktionieren wird, hat sich dieser doch als extrem kompatibel mit so ziemlich allen Titeln da draußen gezeigt in der Beta. Andere Stereoskopie Lösungen wie nVidias 3D Vision sind bei DCS leider fehlerhaft, weil sie zb. beim HUD der A-10 schummeln und die räumliche Tiefe nicht stimmt. Auch für DCS wird die Auflösung noch höher werden müssen, ein HUD oder die MFCDs sind noch weit davon entfernt lesbar zu sein. Für die Mustang würds aber schon halbwegs gehen.
War Thunder
Aktuell beste Implementation in der Flugsimulatorwelt. Fantastische Grafik und ein tolles Fluggefühl. Aber es ist eben mehr Spiel als Simulation, man stelle sich eine Mischung aus IL-2 Sturmovik auf Arcade getrimmt und Wings of Prey vor. Nativer Support aller Features.
Sollten noch andere Simulatoren gewünscht werden, bitte Feedback geben, dann kann ich das recherchieren und/oder ausprobieren.
Was es noch so gibt
Mit VorpX sollt man so ziemlich alles was fliegt in 3D geniessen können, womöglich halt ohne Tracking. Aber in der nativen Support-Ecke kommt so einiges. Das Weltraumspiel Star Citizen von Altmeister Chris Roberts (das jüngst die 10 Millionen USD Marke seiner Crowdfunding Kampagne geknackt haben) wird die Rift nativ unterstützen. Auf Kickstarter finden sich jede Menge interessante Spiele die das Device nativ supporten werden. Among the Sleep, The Gallery um nur zwei vielversprechende Titel zu nennen. Sony äussert sich sehr positiv zu Oculus, ein Support der Rift für die PS4 wäre eines Tages denkbar. EA hatte eine Jobausschreibung für einen Praktikumsplatz wo jemans als Diplomarbeit Rift-Support in deren Frostbite Engine implementieren soll (die alten Geizkrägen...), auch ein VR Battlefield ist damit zum greifen nahe.
8.) Die Zukunft der Rift
Auflösung
Die Displayqualität muss sich noch signifikant verbessern. Das Gehirn ist zwar sehr sehr gut darin, störende Dinge auszublenden oder fehlende Details zu rekonstruieren aber wenns um harte Daten wie HUDs ablesen geht hilft das alles nix. Es braucht weniger Screendoor, und signifikant mehr Pixel. Michael Abrash hat in seinem Blog mal übern Daumen vorgerechnet daß wenn man ungefähr die gleiche Detailstufe wie in der Realität haben will, dann müsste man in die Rift ungefähr ein 8K Display Panel einbauen (richtig, das sind 7.680 x 4.320, also 33,2 MPixel). Wir sind noch recht weit davon entfernt, solche Panels bauen zu können, ein 8K Display in 7 Zoll hätte nach aktuellem Stand unvorstellbare knapp 1300 DPI (zum Vergleich: ein iPhone 5 Retina Display hat 326 DPI). Und dann brauchen wir ja noch einen Rechner der das alles befeuern kann. Und nicht nur wie flusi-üblich mit 30 FPS oder gar noch weniger. 60 FPS, Vsync in 3D. So und nicht anders. Das wird dauern. Aber es wird kommen.
Am Auflösungsproblem arbeiten die Jungs bei Oculus tatsächlich sehr hart, vor ein paar Tagen auf der E3 wurden die ersten FullHD Prototypen gezeigt. Weit weit besseres Display! Sie sagten auch daß die Consumer Version mindestens so gut wird, wenn nicht sogar besser. Meine persönliche Hoffnung liegt bei einem 1600P Display, das wäre technisch machbar. Problematisch sind in meinen Augen die für den Mainstream unerlässliche Kompatibilität zu HDMI und die damit einhergehenden Limitationen (HDMI kann aktuell zb keine 60Hz übertragen bei Auflösungen die FullHD übersteigen, 4K gehen überhaupt nur mit 30Hz). Das momentane Wettrüsten der Displaytechnologien wird eigentlich von den Tablets und Smartphones angetrieben, aber das angesprochene 8K Display braucht kein Mensch mehr in einem 7 Zoll Tablet, von daher muss man hoffen daß sich diese Art zu spielen und zu fliegen soweit durchsetzt, daß es dann als ein eigener Markt gilt der es nicht nötig hat auf zweckentfremdete Bauteile zurückzugreifen.
Links das Dev Kit, rechts der HD Prototyp
Positional Tracking
Auch das wurde als Must-Have bezeichnet. Man wird also mit einer Rift wenn sie denn mal fertig ist all das tun können was man mit einem TrackIR auch kann - idealerweise ohne Bewegungen künstlich verstärken zu müssen, ohne daß man in einem optischen Abtastfeld sitzt aus dem man auch rauskommen kann usw.
Die Technologie im Allgemeinen
Einer der ersten Gedanken der Leser des Buches "Ready Player One" von Ernest Cline (von hieran nur noch "die Bibel" genannt
) wird wohl sein "Outerra! Eigene Welten gestalten und darin alles tun!". Ja. Das wird es meines Erachtens mal geben. Das Ding ist eine Mini-Version der Matrix zum aufsetzen. Es ist atemberaubend wie sehr man dem Gehirn glaubhaft machen kann, daß man woanders wäre. Die Brille wieder abzunehmen fühlt sich wirklich an wie an seinen ursprünglichen Ort zurückzukehren als eine Skibrille vom Kopf zu ziehen. Und genau deswegen steckt hier drin weit mehr Potential als nur Gaming. Man wird künftig Videokonferenzen in VR abhalten können. Man braucht nicht mehr ins Kino gehen, hat man doch sein virtuelles IMAX zuhause (ja, es gibt bereits ein
VR Kino als Demo, sogar mit 3D Leinwand). In der Bibel gehen sogar alle Kinder virtuell in die Schule, weil in der dystopischen Zukunft die virtuelle Realität weit attraktiver ist als die reale. Sogar die virtuelle Wirtschaft der OASIS (so der Name dieses allumfassenden MMOs) überflügelte teilweise die reale mancher Nationen. Man kann in VR sehr gut Angsttherapien machen, aktuell werden VR Technologien zur Behandlung des Posttraumatischen Stressyndroms bei Kriegsveteranen beim US Militär eingesetzt.
Die Kombination von VR Brillen mit anderen Sinneseindrücken ist ebenfalls sehr vielversprechend. Egal ob es Omnidirectional Treadmills sind die einem das wirkliche gehen in der virtuellen Welt ermöglichen. Leap Motion Controller die das bewegen der Hände mit den eigenen Händen in der Spielewelt erlaubt. Shooter Spieler freuen sich auf Accessoires wie den
Delta Six Controller. Oder eine Kombination all dieser Technologien mit Handschuhen die taktiles Feedback liefern. Die Möglichkeiten sind schier endlos.
8.) Fazit
Nach dem VR Flop in den 90ern galt diese Technologiesparte als tot und für den Massenmarkt als untauglich. Oculus wird das ändern, da bin ich mir sicher. Ich habe mit diesem Gerät einen Einblick in die Zukunft meines lebenslangen Hobbies erhalten. Und vielleicht sogar einen Einblick in die Zukunft unserer Technologiegesellschaft an sich. Wenn die in dieser Geschwindigkeit weitermachen, dann wird sich 2020 keiner mehr ein Homecockpit bauen müssen, weil wer braucht ein Homecockpit wenn er ein Holodeck haben kann...
Das Gerät ist noch unausgereift aber extrem leistungsfähig und beeindruckend, teilweise noch unbequem und verbesserungswürdig und doch so süchtig machend. Die Präsentation im Koffer wirkt sehr professionell, das Design der Brille an sich relativ klobig. Das Gewicht ist im Rahmen, auch wenn sie nicht wirklich leicht ist. Für komplexe Flugsimulationen ist das Ding ein zweischneidiges Schwert - solange man noch regelmässig zum Keyboard greifen muss um seinen Flieger zu bedienen ist das mühsam, sieht man das Tastenbrett doch kaum, gerade unten durch einen Lüftungsschlitz kann man ein winziges Stück Aussenwelt erblicken, entsprechende Beleuchtung im Zimmer vorausgesetzt. Aber selbst das aktuelle Modell ist vom Fluggefühl her unheimlich gut, War Thunder ist wirklich ein Erlebnis in VR.
Kurzum - es ist die Zukunft, ohne wenn und aber. Der Grundstein ist gelegt, jetzt muss man es nur noch soweit verfeinern daß es alltagstauglich wird. Wenn die Auflösung mal gut genug ist, daß man damit auch Desktoparbeiten erledigen kann, dann wird Bildschirmarbeit einfacher - das Auge ist bei der Rift im Ruhezustand nahe auf Unendlichkeit fokussiert, was deutlich weniger anstrengend ist als permanent auf einen Screen zu schauen der ca einen halben Meter vor der Nase steht. Könnte also gesundheitlich auch einiges für die Bevölkerung tun.
Vielen Dank fürs Lesen, liebe Leute!
Sollte es Fragen oder Anregungen geben bitte natürlich hier weiter unten einfach reinposten, ich integriere sie dann inklusive der Antworten ins FAQ unter diesem Review.
Quellen:
Kickstarter
Kicktraq
Nick Whiting -
Integrating the Oculus Rift into Unreal Engine 4 (via
Gamasutra)
The Verge