Also visuell ist das schon hammerhart, keine Frage. Aber um alle eine Rolle spielenden Faktoren hier miteinzubeziehen, muss man etwas weiter ausholen. Also auf gehts
Die Minima haben gepasst. Somit war der Anflug zumindest legal im rechtlichen Sinne. Um sagen zu können, ob das Handeln der Piloten konform war, müsste man allerdings auch ein Operations Manual der jeweiligen Airline in Händen halten. Allgemein ist es so, daß man unter solche Wolken zwar drunterfliegen darf, (es ist besser als Reinzufliegen oder auf gleicher Höhe bzw knapp darüber haarscharf dran vorbei). Das gefährliche an solchen Zellen ist der Downdraft des Schauers (im Extremfall eben Microburst genannt). Am Rande des Schauers (wo die Jungs eingesegelt sind), ist das noch nicht so heftig, aber mittendrin kann das absolut fatal sein. Warum eigentlich?
Die Problematik ist, daß bei Microbursts in Bodennähe der Luftfahrer dazu verleitet wird, einen tödlichen Fehler zu machen. Die unten am Boden auftreffende Luft kann man sich als lokales Hochdruckgebiet vorstellen, von dessen Zentrum aus in praktisch alle Richtungen die von oben kommende Luft wegfliesst. Fliegt man durch so ein Gebiet durch, dann steigt zuerst mal die IAS im Approach an -> der Pilot der sich der Situation nicht bewusst ist, wird erstmal den Schub deutlich reduzieren, moderne Jets sind schliesslich aerodynamisch sehr sauber und brauchen im Approach mit den Triebwerken in Flight Idle oft bis zu 3nm um grade mal 10kt IAS abzubauen (bei mittleren Bizjets sind das zb realistische Werte), somit muss man mit dem Powermanagement deutlich vor seinem Flieger sein. Aber jetzt passiert das fatale. Man reduziert, Engines fahren die Drehzahl herunter. Sehr schlagartig, verliert man die zu hohe Geschwindigkeit wieder, weil man von der Gegenwind- in die Abwindzone gerät. Diese Änderung der Windrichtung ist eben auch eine Form von Windshear. Die Speed ist nur minimal gesunken, weil ich ja nur sehr kurz die Engines in Idle hatte, der Flieger hatte kaum Zeit zum ausschiessen. Doch die brutalen Abwinde wollen plötzlich kompensiert werden, dummerweise hat man gerade die Engines runtergedreht, was die Spoolup-Time bis zur vollen Leistung (die bei manchen Modellen noch immer zu wenig sein kann, um aus sowas noch rauszukommen) auf den längstmöglichen Wert gehoben hat. Blöd, grade jetzt kann man die Leistung gut brauchen.
Sollte man aus der Downdraft-Zone noch ohne Bodenkontakt rausgekommen sein, dann lauert gleich das nächste Problem auf einen. Wenn man in einen Microburst mit normaler Approach Speed reinfliegt, dann hat man etwas Platz nach unten bis zum Stall, dieser ist normalerweise durch die V-Approach (Anfluggeschwindigkeit) bzw VRef (Geschwindigkeit mit der man über die Schwelle segeln soll) vorgegeben. Normalerweise ist VRef die Stall Speed x 1,23 (es ist je nach Performance Kategorie 1,23 oder 1,3 - ich gehe hier von 1,23 aus für kleinere Geräte). Ein Flieger, der mit sagen wir mal 123kt anfliegt, hätte also bei 100kt oder darunter einen Stall. Und genau da liegt der Hund begraben. Hinter der Downdraft-Zone schlägt dieser Abwind in einen recht kräftigen Rückenwind um, was ein schlagartiges Sinken der IAS nach sich zieht. Es kann durchaus sein, daß man hier den finalen Todesstoß bekommt, weil der Flieger stallt. Dann ists unweigerlich vorbei, in einem Approach mit einem mittelgroßen Flieger wird in dieser Phase die Höhe für ein erfolgreiches Stall Recovery vermutlich nicht mehr ausreichend sein.
Was kann man also tun, um mit so einer Situation umzugehen?
1.) Diverten - man fliegt zu seinem Alternate. Die Planning Minima sind für den Alternate immer mindestens "eine Stufe" besser zu planen als für den Zielflughafen. Und das für 1 Stunde vor und nach dem geplanten Arrival beim Alternate. Unter "einer Stufe" soll man verstehen, daß wenn man am Zielflughafen mit einem CAT 1 ILS gerechnet hat, daß am Alternate die Minima zumindest für einen Non-Precision Approach ausreichend sein müssen. Bei Non-Precision am Zielflughafen muss es dann VFR-Minima am Alternate geben usw.
2.) Mit mehr Speed anfliegen. Man hat somit Geschwindigkeitsreserven, um mit den verschiedenen Phasen des Wetterphänomens fertig zu werden. Man muss sich dabei halt je nach Flieger an die Limits mit der jeweiligen Klappenstellung halten, weil man ja nicht mit Flaps unbegrenzt schnell fliegen kann. Da es sehr schwierig ist, die Geschwindigkeitsänderungen im vorhinein abzuschätzen, ist das definitiv riskant.
3.) Warten. Solch extreme Gewitter dauern in der Regel nicht lang, nach 15-30 Minuten sollte der Spuk vorbei sein. Der Sprit dafür sollte vorhanden sein, wenn man sich an die einzuhaltenden Vorschriften gehalten hat. Ein wenig im Holding herumfahren und gut is.
Das was die Jungs da gemacht haben, ist zumindest von den allgemeinen Regeln her zwar erlaubt und in Ordnung (das Wetterradarbild könnte zb fürs Video deutlich schlimmer ausgesehen haben als es definitiv war - die meisten Radargeräte dieser Art haben einen Gain-Regler, dreht man den auf Anschlag ist leichter Regen knallrot am Schirm), allerdings wirds 2 Minuten später nicht mehr fliegbar gewesen sein. Wenn die Jungs die Landung versauen, dann sind sie beim Go-Around nämlich nicht mehr am Rand des Wetters, sondern mittendrin statt nur dabei. Wenn da drin dann noch irgendwas blödes passiert (Blitzschlag, Engine putt oder was auch immer), dann sind die am Ende. Und in so eine Situation würd ich mich nur ungern freiwillig begeben wollen.
Also rein vom Video her würd ich sagen es ist eine verdammt knifflige Sache, da zu beurteilen, ob das noch in Ordnung war. Es gibt so unzählig viele Faktoren, die in so eine Entscheidung mit einfliessen müssen, daß man das rein aus dem Video nicht klar sagen kann. Ungefährlich ist sowas auf jeden Fall nicht. Aber wenn die in dem Moment vielleicht schon ganz andere Probleme hatten, dann kann eine solche Landung auch das geringere Übel im Vergleich zur Alternative gewesen sein. Gibt die eine oder andere Situation beim Fliegen, wo man sich lediglich aussuchen kann, ob man sich ins linke oder ins rechte Knie schiesst...
Wer sich etwas in die Materie einlesen will, ein guter Startpunkt ist die Episode "Invisible Killer" aus der Reihe Air Crash Investigation (läuft hierzulande als "Mayday" auf VOX soweit ich weiß), bzw der Wikipedia-Artikel zu
Delta Air Lines Flight 191.
Hoffe das war jetzt nicht zu lang bzw langweilig.