Ryanair bricht mit ihren strategischen Grundprinzipien. Damit verwässert das Geschäftsmodell der Billigairline, warnt Aviation-Management-Professor Christoph Brützel. Wie erfolgreich das ist, kann man bei Air Berlin anschauen.
In der neuen airliners.de-Serie "Aviation Management" erläutert Prof. Dr. Christoph Brützel von der Internationalen Hochschule in Bad Honnef (IUBH) interessante wissenschaftliche Erkenntnisse zu aktuellen Entwicklungen im Luftverkehr.
Ryanair will im Markt für Geschäftsreisen Fuß fassen. In wie weit sich allerdings der von Ryanair selbst angekündigte Angriff im Geschäftsreisemarkt als genauso erfolgreich darstellen wird, wie das bisherige Wachstum der Billigairline, scheint fraglich. Denn die Lowcost-Airline bricht mit genau den Grundprinzipien, die ihr Geschäftsmodell bislang konsequent bestimmt und damit erst erfolgreich gemacht haben.
So operiert Ryanair nunmehr vermehrt auch von Primärflughäfen wie etwa Köln/Bonn. Um für Geschäftsreisende attraktiv zu werden bietet sie ihre Tickets darüber hinaus auch über indirekte Vertriebskanäle an.
Die Zusatzerlöse fehlen
So wird etwa bei der Buchung von "Inclusive"-Tarifen über Globale Distributionssysteme wie beispielsweise Amadeus ein Teil der bisherigen Ryanair-Nebenerlöse in den Basistarif eingeschlossen. So zum Beispiel das "Zusatzticket" für aufgegebenes Gepäck, das beim Normaltarif allein zwischen 15 und 75 Euro kostet, der Flughafen-Check-in (45 Euro), Sitzplatzreservierung und Priority Boarding.
Zudem gehen der Billigairline die Zusatzerlöse aus Kommissionen für alle möglichen Zusatzangebote wie beispielsweise Mietwagen, Hotels oder Versicherungen verloren. Diese können nämlich nur über die eigene Website angeboten und gewinnbringend verkauft werden. Und genau dieses Geschäft macht bei Ryanair rund ein Viertel der Gesamterlöse aus. Zusatzerlöse tragen damit unverzichtbar zum Gewinn bei:
Ryanair ist nur Dank Zusatzerlösen profitabel
€52,14 durchschnittlicher Ticketpreis (one way)
€56,44 durchschnittliche Kosten
- €4,30 Ergebnis
€17,06 Zusatzerlöse
€12,77 Ergebnis
Schaut man sich das Thema "Ancillary Revenues" bei Ryanair im Detail an, standen im Jahr 2014 einem Durchschnittspreis von etwas über 52 Euro pro Ticket Kosten in Höhe von rund 56 Euro gegenüber. Erst die Zusatzeinnahmen in Höhe von durchschnittlich 17 Euro pro Ticket machten aus einem Negativ-Ergebnis einen Profit von fast 13 Euro pro Passagier.
Gefährlich wird es nun für Ryanair insbesondere, wenn es nicht gelingt, die GDS-Buchungen auf das Geschäftsreisesegment zu begrenzen. Wenn auch die Privatreisenden ihre Buchung beim Reisebüro machen können, so fallen auch bei Ihnen die wirtschaftlich essenziellen Zusatzerlöse weg.
Kostenvorteile gehen verloren
Mit der Operation von stadtnahen Flughäfen gehen zudem weite Teile der Kostenvorteile verloren. Bei den Gebühren und Vertragspreisen für die Flughafennutzung und Handling und auch bei der sogenannten Marketingförderung steht sich Ryanair hier nicht besser als die Konkurrenz.
Insbesondere gegenüber den inzwischen von den Netzcarriern gegründeten Billigfluggesellschaften wie Eurowings, Vueling oder Transavia bleibt kaum ein Vorsprung. Auch diese beschäftigen ihre Crews vor Ort und sparen sich somit die Reisekosten für Positionierung und Übernachtungen.
Je mehr Ryanair auf Geschäftsreisende setzt, desto häufiger muss die Airline täglich mehrere Frequenzen anbieten. Bei Flugzeugen mit jeweils 180 Sitzen reduziert sich das Potenzial hierfür auf Strecken, auf denen bereits heute harter Wettbewerb besteht.
In diesem Umfeld konnte Easyjet als "First Mover" ihrer Zeit noch erfolgreich in den Markt eintreten, ob das aber heute noch ohne nachhaltige und differenzierende Wettbewerbsvorteile gelingen kann, ist sehr zweifelhaft.
Detaillierte Analysen im Rahmen von Forschungsarbeiten der IUBH führten zu dem Ergebnis, dass diese wichtigen Wettbewerbsvorteile mit dem neuen Ansatz der Airline in Sachen Geschäftsreiseverkehr sowohl im Vertrieb als auch bezüglich der Kosten nicht zu halten sein werden. Das Geschäftsmodell der Ryanair entwickelt sich also immer mehr zu einem Hybrid-Modell, was schon bei Air Berlin offensichtlich zum wirtschaftlichen Niedergang beigetragen hat.
Quelle: airliners.de